1. Home
  2.  / 
  3. Aktuell
  4.  / 
  5. Allgemein
  6.  / 
  7. Ostern – Auferstehung Christi

Ostern – Auferstehung Christi

Auferstehungs-Ikone, 16. Jh., Osteuropa

Weil sie liebt

Weil sie liebt,
zerbricht sie
die Flasche
ihres kostbarsten Salböls,
verschwendet den Duft
an die Füße des Freundes.

Weil er liebt,
zerbricht er
am Hass und
an Rechthaberei,
verschwendet
sein Leben
an Freund und Feind.

Weil Gott liebt,
zerbricht er das Grab und den Tod.
Was als todsicher galt,
ist nicht mehr Fessel,
noch Grenze.

Wer Jesus liebt,
dem zerbricht er
wie Maria im Garten
das Bild,
ihn halten zu müssen,
um ihn lieben zu können.

Und wieder
nichts in der Hand.
Nur die Ahnung im Herzen:
er lebt, er liebt,
er umfängt uns
unfassbar, nah
und befreit uns
zum Lieben.

Hans Brunner

In: Rudolf Bischof, Klaus Gaspari (Hg.), Den Himmel mit Händen fassen; Lesebuch für Fastenzeit, Karwoche und Ostern, Tyrolia-Verlag, Innsbruck, Wien 2022.

Gedanken zur Fastenzeit

Karwoche

Giotto di Bondone: Kreuzigung Jesu, um 1330, Cappella degli Scrovegni, Padua

Wenn die Angst das Leben durchkreuzt
Gott am Kreuz, er verwandelt unser Leid nicht, indem er es wegnimmt, sondern indem er in den untersten Grund der Not zu uns herabsteigt. Gott ist kein bequemer und berechenbarer Gott. Mit dem Kreuz streicht er alle Gottesbilder durch, die nur unseren menschlichen Wunschträumen entstammen. Vielleicht fängt Glaube dort ganz unten an, in Ohnmacht und Verzweiflung. Vielleicht wagen wir das einmal: zulassen, dass Gott uns fallen lässt – ins Ungewisse, ins Bodenlose, ohne Licht und Trost. Wo Glaube eigentlich sinnlos geworden ist und Liebe lächerlich, wo es keinen Menschen mehr gibt – dort, ganz unten, an einem bestimmten Ort und Zeitpunkt, da wartet Er, um uns aufzufangen und nicht mehr loszulassen. Vielleicht geht es nur um diesen Glauben, der durchhält: das Unbegreifliche stehen lassen, die Durchkreuzungen unseres Lebens akzeptieren, unsere Ängste annehmen und sie Gottes verwandelnden und erlösenden Händen übergeben. Vielleicht ist dieser Durchhalteglaube das einzige, was wirklich zu tragen vermag. Nicht nur am Karfreitag.

 Sr. Philippa Rath OSB

Fünfte Fastenwoche

(Foto: Priska Machuzhak-Loepfe)

In seiner Gegenwart

Von der Welt wegblicken,
das hilft nicht zu Gott.

Auf die Welt hinstarren,
das hilft auch nicht zu ihm.

Aber wer die Welt in ihm schaut,
steht in seiner Gegenwart.

Martin Buber, jüd. Religionsphilosoph

Vierte Fastenwoche

Das Brot

Ein alter Professor ist verstorben und seine drei Söhne machten sich daran, seinen Haushalt aufzulösen. Dabei fanden sie in seinem Arbeitszimmer neben zahlreichen wertvollen Sachen einen harten, vertrockneten Laib Brot. Die Haus-hälterin, die den Professor bis zu seinem Tod betreut hatte, wusste, was es mit diesem Brot auf sich hatte.
In den ersten Jahren nach dem Krieg war der Professor todkrank. Deshalb schickte ihm ein guter Freund einen Laib Brot, damit der Professor etwas zu essen hatte. Der aber dachte an die verarmte Nachbarsfamilie mit ihren Kindern und ließ ihnen das Brot bringen. Die Nachbarfamilie war sehr berührt ob der Geste des Professors. Aber sie mochte das wertvolle Brot nicht für sich behalten und gab es an eine arme alte Witwe weiter, die im Haus in einer kleinen Dachkammer wohnte.
Die alte Frau brachte das Brot ihrer Tochter, die mit einem Kleinkind ein paar Häuser weiter wohnte und nichts zu essen hatte. Die Mutter dachte an den todkranken Professor, der ihrem kleinen Sohn bereits einmal geholfen und dafür kein Geld genommen hatte. Und so schickte sie den Laib an den Professor.
Der Professor hat das Brot sofort wiedererkannt. Als er nun den Laib in der Hand hielt, sagte er: „Solange noch Menschen unter uns leben, die so handeln, braucht uns um unsere Zukunft nicht bange zu sein.“ So legte er ist in den Schrank. Er wollte es immer wieder ansehen, wenn er mal nicht weiterwusste und die Hoffnung verlor.

Verfasser/in unbekannt

In: Rudolf Bischof, Klaus Gaspari (Hg.), Den Himmel mit Händen fassen; Lesebuch für Fastenzeit, Karwoche und Ostern, Tyrolia-Verlag, Innsbruck, Wien 2022, 142.

Dritte Fastenwoche

Taufbecken in der Kirche San Quirico e Giolitta (13. Jh.), Minusio/ TI (Foto: Priska Machuzhak-Loepfe)

Die Schuld des Menschen

Die große Schuld des Menschen
sind nicht die Sünden, die er begeht –
die Versuchung ist mächtig und seine Kraft gering.
Die große Schuld des Menschen ist,
dass er in jedem Augenblick
die Umkehr tun kann und nicht tut.

Martin Buber (jüd. Religionsphilosoph)

In: Rudolf Bischof, Klaus Gaspari (Hg.), Den Himmel mit Händen fassen; Lesebuch für Fastenzeit, Karwoche und Ostern, Tyrolia-Verlag, Innsbruck, Wien 2022, 16.

Zweite Fastenwoche

Lilienfenster, Abbaye Sainte-Marie de Valmagne, France; Priska Machuzhak-Loepfe

Wir werden eingetaucht
und mit den Wassern der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.

Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht,
der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch verschont zu bleiben
taugt nicht.

Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.

Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst entlassen werden.

 Hilde Domin

In: Rudolf Bischof, Klaus Gaspari (Hg.), Den Himmel mit Händen fassen; Lesebuch für Fastenzeit, Karwoche und Ostern, Tyrolia-Verlag, Innsbruck, Wien 2022, 150.

Mittwoch, 14. Februar 2024, Aschermittwoch

Fenster in der Kirche St. Anton im Licht, Foto: Priska Machuzhak-Loepfe

Aschermittwoch als Beginn der Fastenzeit fordert uns auf, uns auf den Weg zu machen – nach Innen und zum Unendlichen hin.                                
Der folgende Tagebucheintrag zeigt wie eine junge Niederländerin, die inmitten von Krieg und Verfolgung lebte, einen Weg der Suche nach Gott beginnt.

… DASS MAN SICH INNERLICH ZU EINER GROSSEN EBENE AUSWEITET“ 

„Ich glaube, dass ich das tun sollte: morgens vor Beginn der Arbeit eine halbe Stunde lang „mich nach innen wenden“, horchen nach dem, was in mir ist. „Sich versenken.“ Man kann es auch als meditieren bezeichnen. Aber vor dem Wort graut mir ein bisschen. Aber warum eigentlich nicht? Eine halbe Stunde mit mir selbst allein. Es genügt nicht, morgens im Badezimmer nur Arme, Beine und alle anderen Muskeln zu bewegen. Der Mensch besteht aus Körper und Geist. Und eine halbe Stunde Gymnastik und eine halbe Stunde „Meditation“ können zusammen ein solides Fundament für die Konzentriertheit eines ganzen Tages bilden.                                                            
Nur ist das nicht so einfach, so eine „stille Stunde“. Das will gelernt sein. Der ganze kleinbürgerliche Kram, alles Überflüssige muss innerlich beiseitegeschoben werden. Zum Schluss bleibt immer viel grundlose Unruhe in dem kleinen Kopf übrig. Es gibt zwar auch bereichernde und befreiende Gefühle und Gedanken, aber immer von überflüssigem Kram durchsetzt. Der Zweck des Meditierens sollte sein: dass man sich innerlich zu einer grossen Ebene ausweitet, ohne all das heimtückische Gestrüpp, das die Aussicht behindert. Dass etwas von „Gott“ in einem erwächst, wie auch in der Neunten von Beethoven etwas von „Gott“ enthalten ist. Dass auch eine Art „Liebe“ entsteht, keine Luxus-Liebe von einer halben Stunde, in der es sich voller Stolz auf die eigenen erhabenen Gefühle herrlich schwelgen lässt, sondern eine Liebe, mit der man in der kleinen alltäglichen Praxis etwas anfangen kann.“

Etty Hillesum (1914-1943), niederländisch-jüdische Intellektuelle und Mystikerin, Auszug aus ihrem Tagebuch (1941-43)

Priska Machuzhak-Loepfe, Seelsorgerin

Zurück