Für viele klang es wie eine Befreiung, für andere wie eine Bedrohung: “Macht die Fenster der Kirche weit auf!” soll Papst Johannes XXIII. nach seinem Amtsantritt 1958 ausgerufen haben. Ein Weckruf, der in das 2. Vatikanische Konzil mündete mit seinem berühmten “aggiornamento”. Die Kirche musste sich damals “verheutigen”. Und das muss sie auch heute und immer wieder. Sie lebt und verkündet heute, nicht gestern und (noch) nicht morgen.
Die Fondation Beyeler in Riehen zeigt die Ausstellung “Life” von Olafur Eliasson. Die Fenster des Gebäudes wurden auf einer Seite nicht nur geöffnet, sondern gänzlich entfernt. Innen und aussen vermischen sich, Wasser fliesst vom Teich ins Gebäude hinein. Der Künstler sagt dazu:
“Mit Life arbeite ich aktiv daran, einen Raum der Koexistenz zwischen allen zu schaffen, die Teil der Ausstellung sind, und jenen, die von ihr angesprochen werden – der Kunstinstitution, meinem Kunstwerk, den Besuchenden, anderen Wesen, die daran teilhaben, den Bäumen und anderen Pflanzen im Park, der Stadtlandschaft, die das Museum umgibt und darüber hinaus. Indem wir gemeinsam die Welt erforschen, die wir miteinander teilen, können wir sie, so hoffe ich, für alle Spezies lebenswert machen.”
So könnte es auch in der Kirche sein. Die Fenster öffnen, den Aussenraum nach innen holen, den Innenraum weiten, sich verbinden und vernetzen und dabei gespannt zusehen, was dabei mit den Menschen geschieht. Weniger Antworten geben, sondern zuerst die Fragen hören. Weniger Verkündigen, sondern die Wahrnehmung schärfen. Die Sprach- und Hilflosigkeit aushalten und den Menschen zutrauen, dass Veränderung möglich ist. So etwas wie die Ausstellung in Riehen habe ich noch nie gesehen und hätte ich auch kaum für möglich gehalten. In der Kirche denken wir noch viel zu sehr in drinnen und draussen. “Macht die Fenster auf”, rief Johannes XXIII. “Manche scheinen in der Kirche zu sein und sind in Wirklichkeit draussen. Manche scheinen draussen zu sein und sind in Wirklichkeit drinnen”, sagte schon der Kirchenvater Augustinus. Die Ausstellung “Life” bringt das ins Bild. Das Bild ist eine gute Inspirationsquelle.>
Andreas Rellstab